Gestern verließ uns die Jungkrähe, die unseren kleinen Garten für etwa zwei Wochen In Anspruch nahm. Sie war noch nicht flügge und humpelte ein wenig von hier nach dorthin, die meiste Zeit über von ihren Eltern oder Geschwistern beobachtet. Wir sahen zu, daß wir uns um den Garten nur so notwendig als möglich kümmerten, da während unserer Anwesenheit von oben über den Dächern meist heftiger Protest erfolgte.
Eine Freundin von uns, Veterinärmedizinerin, sah sich den Vogel kurz an und meinte er wäre kräftig genug durchzukommen. (Ich habe auch von anderen offiziellen Stellen erfahren, daß es nicht gut ist Krähen zu "helfen", also sie zu füttern u.dgl., das übernehmen die erwachsenen Krähen.)
Aber es regnete ständig. So weit ich beobachten konnte unternahm die junge Krähe keine Mühen irgendwo unterzukommen, obwohl es ein paar Gelegenheiten dafür gab. Also saß sie einige Zeit im Freien, im Regen, am Tag, in der Nacht oder humpelte mal hierhin, mal dorthin, quer über unser Gemüsebeet. Am liebsten aber ließ sie sich dort nieder.
Vor zwei Tagen frohlockten wir, da sie etwas gewachsen war. Das Federkleid war auch prächtiger und sie wurde zwischendurch von einer etwas älteren Krähe besucht. Diese saß meistens neben ihr oder in einem natürlichen Versteck unterhalb einer Hecke. Es war mittlerweile wieder trocken und wir rechneten schon bald mit ihrer Abwesenheit.
Doch es kam anders. Sie lag gestern reglos neben dem Tomatenbeet und die übrigen Krähen, die uns immer beschimpft hatten, waren nicht mehr da.
Ein Freund schrieb mir später per sms: Die Krähe bringt uns die Magie und das Mysterium des Lebens. Sie lehrt uns, daß etwas altes sterben muß, bevor Veränderung geschehen kann. Tod als Möglichkeit zur Veränderung – wir hätten einen Lehrer bei uns gehabt...
Ich finde diesen Gedanken schön, da wir uns an die Krähe schon mehr gewöhnt hatten als geahnt.